Gebunden sind alle gleichermaßen durch die schon genannten Gelübde. Sie schließen die einzelnen, in besonderer Weise von Christus zu seiner Nachfolge berufenen Menschen zu einer neuen Lebensordnung zusammen "in gemeinsamer Verantwortung und gegenseitiger Ermutigung"; sie sollen ein Zeugnis dafür sein, "wie sehr wir voneinander und füreinander leben, wie unausweichlich wir auf unserem Weg zu Gott miteinander verbunden sind"
(Zitat aus dem Spirituellen Teil der Satzungen der Bayerischen Benediktinerkongregation).
Die Benediktiner kennen als Gelübdedreiheit:
- Gehorsam (lat. oboedientia),
- Beständigkeit (stabilitas) und
- klösterlichen Lebenswandel (conversatio morum).
Gehorsam
Der Gehorsam wird in erster Linie dem Abt und der Regel gegenüber geleistet, dann aber auch der gesamten Gemeinschaft der Brüder. Er ist im Grunde genommen Ausdruck der vorbehaltlosen Bindung an Gott und gründet selbstverständlich in der Achtung vor der Menschenwürde und vor der Individualität des einzelnen. Irgendwelche Vorstellungen von, ,Kadavergehorsam" sind falsch.
Beständigkeit
Die Beständigkeit meint die lebenslange Bindung an die Mönchsgemeinde einer Abtei und ihre Lebensweise. Ein Benediktiner kann nicht von einem Kloster in ein anderes versetzt werden, jedoch kommt es vor, dass ein Mönch zeitweilig - z. B. zum Studium, zur Weiterbildung, zu Aushilfen, zu Dienstleistungen usw. - in ein anderes Haus geschickt wird.
Beständigkeit meint nicht, daß ein Mönch in die Klausur "eingesperrt" ist und dort unter weltfremden Bedingungen lebt. Vielmehr soll durch dieses Gelübde eine lebensvolle, brüderliche Gemeinschaft ermöglicht werden, durch die allein das Kloster zu einer Art Modell für ein im Glauben und in der Brüderlichkeit sich entfaltendes Gemeinschaftsleben werden kann. Wie der einzelne sich seiner Klostergemeinschaft zuordnet, das liegt natürlich nicht nur an seinen "Leistungen" für das Haus oder an seiner persönlichen Prägung, sondern vor allem daran, wie er den Mitbrüdern in Liebe und Hilfsbereitschaft nahe ist. Wie dies der einzelne verwirklicht, das ist für jeden eine wahrhaft schöpferische Chance, ein freier Raum auch für persönliche Aktivität.
Klösterlicher Lebenswandel
Klösterlicher Lebenswandel - das dritte benediktinische Gelübde - umfaßt all das, was den persönlichen Stand des Mönchs ausmacht: sein eheloses, besitzloses, auf Gott in Gebet, Schriftlesung, Liturgie, Betrachtung unablässig bezogenes Leben; ein Leben also auch in einer gewissen Nüchternheit und Herbheit mit dem nicht wegzuleugnenden Mangel an jener Vielfalt der Lebensgestaltung, die dem Menschen in der "Welt" heute möglich ist.
Zweifellos ist hiermit Askese verbunden, eine nicht mühelose Einübung geistlicher Grundhaltungen. Als "Leistungsfrömmigkeit" allerdings darf dies nicht mißverstanden werden. Die Summe der mit den Gelübden verbundenen Haltungen meint letztlich nichts anderes als das Ausstrecken meiner leeren Hände zu Gott hin, zu dem also, der allein volle Erfüllung schenken kann. So wird das Leben des Mönchs zu der immerwährenden Grundhaltung des Gebets, dessen "Wert" nicht in irgendeinem "Haben" oder "Verfügen" besteht, sondern im Geöffnetsein.
Zur Besitzlosigkeit ist zu sagen: auch der im Kloster lebende Mensch hat ein Mindestmaß an Privatsphäre, wozu etwa sein nach eigenem Geschmack und Ermessen eingerichtetes Zimmer, dies oder jenes an Mobiliar, seine Bücher, sein - allerdings nicht zu aufwendiges - Hobby gehören kann. Aber dies alles ist nicht sein "Besitz", es steht ihm lediglich zur Verfügung, und der Abt muß darum wissen und sein Einverständnis dazu geben. Gemessen an dem Lebensstandard heutiger Durchschnittsverbraucher führt der Mönch ein eher bescheidenes, anspruchsloses Leben. Eine Armutsmystik im Sinne des hl. Franziskus oder des Karmelitenordens kennt der Benediktiner jedoch nicht. Benediktinische Armut ist wesentlich auf die Gemeinschaft bezogen und kann daher am besten als "Gütergemeinschaft" bezeichnet werden.
Ähnlich wie mit den anderen Verzichten verhält es sich mit der Ehelosigkeit. Sie gibt dem Mönch die Chance, ungeteilt Gott zur Verfügung zu stehen. Verzicht auf Ehe, Familie, Nachkommenschaft bedeutet ebensosehr eine Einengung der Persönlichkeitssphäre wie die Besitzlosigkeit. Andererseits aber kann sie Kräfte und Fähigkeiten entbinden, die sonst oft überdeckt werden können von allzu viel Sorge um Zeitliches.
Mit Verzichten haben wir es bei den Gelübden ganz sicher zu tun, besonders auch im Hinblick auf unsere Wohlstandsgesellschaft mit ihren oft maßlosen Ansprüchen. Wer in den Gelübden auch ein Korrektiv sieht, das die heutige Gesellschaft angeht, der hat sicher recht gesehen. Wer durch sie jedoch Ressentiments abzureagieren versucht - gegen Sexualität, Privatsphäre, Geldwirtschaft -, der wird im Gegenteil nur neue Ressentiments züchten. Gelübde sind keine absoluten Werte, sie sind nur Hinweise auf den einen, der "alles in allem" ist (1. Kor. 15/28 b).